Geschichte
Borchers Kreislaufwirtschaft
Heutzutage mutet die Idee nicht mehr revolutionär an, Mitte der 1980er-Jahre war sie es durchaus: Container zum Sammeln von Glas. Die Idee hatte Georg Borchers aus Borken und stellte die Container auf dem Markt auf. Wie sich einige Jahre später herausstellen sollte, legte Georg Borchers mit dieser Idee die Grundlage für einen künftig wichtigen Geschäftszweig seines Unternehmens sowie die weitere Expansion. In diesem Jahr feiert die Borschers Firmengruppe ihr 50-jähriges Bestehen.
Mit Anfang 20 hatte Georg Borchers beschlossen, sich selbstständig zu machen und startete als Einzelunternehmer. Vorher hatte er eine Ausbildung zum Landmaschinenschlosser abgeschlossen und die Fachoberschule besucht. Seinen ersten Kunden, die Firma Foseco, fuhr Borchers vom landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern aus an. Georg Borchers war das jüngste von acht Kindern. „Er sollte auf dem Hof helfen, er wollte er aber auf keinen Fall abhängig sein von seinem Bruder“, erzählt seine Frau Erika. Damit war der Weg in die Selbstständigkeit vorgezeichnet. Für seine Kunden holte er Abfälle ab und brachte sie zur Deponie nach Hoxfeld.
Relativ schnell kaufte Georg Borchers einen Niederflurwagen. „Den kannte man nicht als Abfallfahrzeug. Er war eigentlich für den Transport von Fahrzeugen gedacht“, berichtet Erika Borchers. Mit einem Unimog als Fahrgestell war der junge Betrieb so gut aufgestellt, dass auch unterschiedliche Behältergrößen transportiert werden konnten. Gleichzeitig begann Georg Borchers mit dem Bau von Containern in einer angemieteten Halle am Butenwall. Noch heute ist der Containerbau eines der wichtigen Geschäftsfelder der Borchers Firmengruppe und sitzt an der Heinrich-Hertz-Straße. Dieses Grundstück bekam Borchers nach der Umsiedelung des elterlichen Betriebs von der Ahauser Straße ins neu entstandenen Gewerbegebiet Ost. Zunächst wurde die Halle aber zum größten Teil an das Technische Hilfswerk vermietet.
Ender der 1970er-Jahre wurden nur wenige Materialien, wie Wellblechpappen und Repasäcke recycelt, erzählt Erika Borchers. Alle anderen Abfälle wurden zur Deponie nach Hoxfeld gefahren.
Die ersten öffentlichen Aufträge bekam die Firma Ende der 1970er-Jahre. Die ersten Touren auf der Autobahn 3, um die Tonnen und Parkplätze von Oberhausen bis Elten zu leeren und zu reinigen, fuhr die Firma am 13. Juni 1979. An dieses Datum kann sich Erika Borchers besonders gut erinnern, denn während ihr Mitarbeiter auf der Autobahn unterwegs war, heirateten sie und Georg Borchers standesamtlich. „Das war schon ein Meilenstein“, sagt die 68-Jährige und lächelt.
Während der Ölkrise 1980 brach auch die Bauwirtschaft zusammen. Georg Borchers nutzte die Gunst der Stunde und baute eine Altholzaufbereitung auf. Einer der ersten Kunden war das Hülsta-Werk in Heek, das bis dato mit Schweröl betrieben worden war. Dieses war im Zuge der Ölkrise sehr teuer geworden. Ausreichend vorhanden waren jedoch Furnierabfälle. Also kaufte Borchers einen Schredder für Abfallfurniere, sodass Hülsta das Werk damit betreiben konnte. So entstand innerhalb der Borchers Firmengruppe ein weiterer Standort für die Altholzaufbereitung an der Ostlandstraße.
Der Auftrag der Stadt Rheine, 100 1,1-Kubikmeter-Behälter aufzustellen und abzufahren, war ein weiterer Meilenstein für die Firma. Mitte der 1980er-Jahre habe sie an einem Samstagsmorgen die Ausschreibung in der Zeitung entdeckt, erinnert sich Erika Borchers. „Wir haben uns einen Spaß daraus gemacht und die Unterlagen angefordert. Wir haben gedacht, wir bekommen den Auftrag eh nicht.“ Abenteuerlich sei es dann geworden, als die Firma tatsächlich den Zuschlag bekam. „Die erste Planung für die Tour habe ich mit einer Karte und Pinnwandnadeln gemacht. Ich kannte mich in Rheine ja auch überhaupt nicht aus“, erzählt Erika Borchers und lacht. Um die nötige Anzahl Müllbehälter zur Verfügung stellen zu können, kauften die Borkener gebrauchte Gefäße auf und brachten sie wieder auf Vordermann. 15 Jahre lang, bis zur Auflösung der fünf Kasernen in Rheine behielt Borchers Kreislaufwirtschaft den Auftrag.
Ebenfalls Mitte der 1980er-Jahre entwickelte Georg Borchers die Idee, Glascontainer aufzustellen, um das Glas zu vermarkten. „Die Kollegen haben sehr gelacht, habe ich später gehört, aber es wurde sehr gut angenommen“, erinnert sich Erika Borchers zurück. Im gleichen Verfahren stellte die Firma Container für die Sammlung von Papier auf und war so bei der Einführung des Dualen Systems im Jahr 1992 gut aufgestellt. Ziel war die Einsammlung und Verwertung von Verkaufsverpackungen. Da innerhalb des Kreises Borken die einzelnen Betriebe aber zu klein für den Umfang des Auftrags waren, wurden Arbeitsgemeinschaften gegründet. Im ländlichen Kreis Borken sind die Menschen übrigens Vorreiter, hat Erika Borchers festgestellt. „Hier sind die gelben Säcke immer gut sortiert. Die aus den größeren Städten sehen immer katastrophal aus.“ Heute übernimmt Borchers Kreislaufwirtschaft die klassische Müllabfuhr nur noch für die Stadt Borken. „Das ist ein Prestigeobjekt für uns, das wir beibehalten, aber unser Hauptaugenmerk liegt nicht mehr auf der Müllabfuhr“, sagt Erika Borchers. Vielmehr sammeln die markanten gelben Fahrzeuge den Abfall bei den Entsorgern ein und bringen ihn zur Aufbereitung.
Im Laufe der Jahre wurde das Betriebsgelände an der Heinrich-Hertz-Straße/Ostlandstraße zu klein für den stetig wachsenden Betrieb. 1993 kaufte Borchers daher das heutige Firmengelände an der Hansestraße und zog 20 Jahre nach der Gründung der Firma hierhin um. Auf dem Gelände entstanden neben einem Bürogebäude mit Werkstatt die erste Sortieranlage für Verkaufsverpackungen, eine Umladestation und die Altholzaufbereitung.
Gleichzeitig kooperierte die Borchers Kreislaufwirtschaft mit der Stadt Bocholt und wollte eine Umlade- und Sortieranlage aufbauen. Der Großbrand in der Bocholter Großbäckerei Sinnack verzögerte die Pläne jedoch, da das Unternehmen das Nachbargrundstück im Industriepark erhielt. Borchers musste ein neues Betriebsgelände finden. „Eine Brotfabrik direkt nebenan war für uns undenkbar“, erinnert sich Erika Borchers. Mittlerweile war die in Borken im Bau befindliche Sortieranlage fertiggestellt und bot ausreichend Kapazitäten, um auch den Verpackungsmüll aus Bocholt aufnehmen zu können. Am Bocholter Standort entstanden in der Folge lediglich die Umladestation und eine Grünabfallkompostierung.
Hatte sich das Hauptaugenmerk der Firma bereits seit Jahren gewandelt, vom reinen Abfallentsorger zum Verwerter, so wurde diese Entwicklung in den 1990er-Jahren durch die steigende Bedeutung des Recycelns weiter vorangetrieben. „Sortierung und Aufbereitung sind heute unsere Hauptthemen“, erzählen Erika Borchers und ihre Tochter Claudia. Ein Teil der Kunststoffe, die aus den gelben Säcken sortiert werden, geht in die Kunststoffaufbereitung. Die aufbereiteten Kunststoffe werden heute vor allem in Spritzgußanlagen eingesetzt.
Weniger hochwertige Kunststoffe gehen in die Ersatzbrennstoffaufbereitung. Sie werden im Zementwerk benötigt und ersetzen Kohle und Öl als Brennstoffe. Die Asche aus dieser Verbrennung wird als Füllstoff mit ins Produkt eingearbeitet. Auch Schrottabfälle und Weißbleche sowie Aluminium und Tetra Paks werden weiterverarbeitet und aufbereitet. Gerade im Bereich der Schrottaufbereitung handele es sich regelmäßig um einen „Kraftakt“, wie Erika Borchers sagt. „Alle Anhaftungen müssen runter, es darf kein Holz, kein Papier oder Kunststoff mehr dran haften.“ Die aufbereiteten Holzabfälle helfen heute bei der Stromerzeugung und gehen ins firmeneigene Biomassekraftwerk.
Dieses wird 1996 eingerichtet, ein Jahr später als das Labor für die Qualitätssicherung. Durch das Biomassekraftwerk gelangte die Borchers Kreislaufwirtschaft auch wieder ein Stück weit zu den Wurzeln von Georg Borchers, die in der Landwirtschaft liegen. Das Kraftwerk produzierte Wärme, die in Gewächshäuser hinter dem Betriebsgelände geleitet wurden, auf den alten Hof Kemper. „Wir hatten das Gewächshaus erst vermietet und dann einen Pächter gesucht“, erinnert sich Erika Borchers. Als dann einer gefunden war, musste er aber wegen Zahlungsunfähigkeit wenige Tage vor Übernahme zurückziehen. „Es war alles schon bestellt“, erzählt Erika Borchers. „Also haben wir einfach selbst angefangen mit Spargel und Erdbeeren.“
Das Jahr 2018 brachte einen ersten großen Schock: ein großer Teil der Freifläche brannte im April. Nach kleineren Bränden in den Vorjahren entwickelte sich dieser zu einem Großbrand. Kunststoff hatte sich selbst entzündet und die Feuerwehr zwei Tage lang in Atem gehalten, eine riesige Rauchwolke stand stundenlang über dem Betrieb. „Wir hatten Glück, es sah schlimm aus, aber es ist nichts kaputtgegangen und niemand wurde verletzt“, zeigt sich Claudia Borchers erleichtert. Als Reaktion auf den Großbrand werden seitdem alle Materialien sortiert in überprüfbaren Boxen gelagert. Sie bieten den Vorteil, dass sie im Fall einer Selbstentzündung das Feuer direkt eindämmen, erklärt Claudia Borchers. Ein Betonteilwerk zur Erstellung von Betonblocksteinen wurde errichtet, welches zusätzlich zur Verwertung von mineralischen Abfällen dient.
Im November 2021 stirbt Firmengründer Georg Borchers im Alter von 68 Jahren und hinterlässt ein Unternehmen mit rund 280 Mitarbeitern und rund 70 Fahrzeugen. Der Betrieb wird seitdem von den Töchtern Claudia und Christina als Gesellschafterinnen innerhalb der Familie weitergeführt. Erika Borchers unterstützt als Seniorchefin.
